Warum viele Österreicher «von» der Rolle sind
- Sie lieben Titel wie Generaldirektor, Kammersänger, Kommerzial- oder Obermedizinalrat. Doch Namenszusätze, die nach Adel klingen, sind nicht erlaubt – was teilweise auf Missfallen im Land stößt. Von Matthias Röder

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Am Telefon meldet sich Niklaus von Steiger ganz bewusst mit seinem Namenszusatz. «Das „von“ ist Teil meines Namens», sagt der Schweizer, der mit einer österreichischen Frau verheiratet ist. Und das ist das Problem: Nach dem Jawort 2017 wollte seine Frau den Namen Christel Troll von Steiger führen. Das Standesamt habe zuerst mündlich keine Probleme gesehen, aber nachträglich «Nein» zum «von» gesagt, so von Steiger.
Niemand soll ein Privileg genießen
In Österreich sind seit 100 Jahren alle Adelstitel und Namen, die auf adelige Herkunft verweisen könnten, tabu. Das Adelsaufhebungsgesetz vom 3. April 1919 war eine Reaktion der Republik auf das Ende der Monarchie. Niemand sollte ein Privileg genießen, und sei es das eines vielleicht klangvolleren Namens.
Was in Deutschland oder auch im restlichen Europa meist kein Problem ist – ein «von», ein «de», ein «di» – wird in Österreich mit teils kaum gekannter Konsequenz bekämpft. Sollte das so weitergehen, gerät möglicherweise auch der Name des Staatsoberhaupts ins Visier: Alexander Van der Bellen. Das «Van» ist dem «von» sehr ähnlich.

«Ein „von“ wird überhaupt nicht mehr erlaubt», sagt der Wiener Rechtsanwalt Clemens Grünzweig, der für mehrere Mandanten vergeblich um deren Namen gekämpft hat. Erst 2018 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) als oberste Instanz in einem Verfahren um den Namen «von der Alm» entschieden, dass auch reine Herkunftsbezeichnungen nicht mehr erlaubt sind. Das Gericht habe die Grenze weiter gezogen, als man sie nach dem 100 Jahre alten Gesetz hätte vermuten können, sagt der stellvertretende Generalsekretär des VfGH, Stefan Frank.
«Ein Name, der in österreichischen Ohren nach Adel klingt, ist nicht erlaubt.»
Die neue Schärfe des Rechts und das Vorgehen der Standesämter hat den 62 Jahre alten Tierarzt von Steiger aus Dornbirn auf den Plan gerufen. Er hat die Facebook-Gruppe «Adelsaufhebungsgesetz» gegründet und will damit Druck erzeugen. Er geht von rund 2.000 Österreichern aus, die noch ein «von» im Namen tragen. «Unser Ziel ist eigentlich die Revision des antiquierten Gesetzes», sagt er kämpferisch und hofft auf eine Beschwerdeflut. Dabei gehe es ihm nicht um irgendwelche Adels-Privilegien, sondern ganz schlicht um das Recht auf den angestammten Namen. Gerade ältere Menschen seien getroffen, wenn sie ihren Namen ändern müssten. Aktuell sieht es nicht gut aus. Seines Wissens nach laufen viele Namensberichtigungsverfahren.
Bei seiner Frau Christel sei der alte Reisepass sofort eingezogen worden, als sie um ein neues Dokument mit neuem Namen angesucht habe, so von Steiger. Da die 66-Jährige nicht auf das «von» ihres Mannes verzichten wolle, habe sie bis heute keinen neuen Pass.
Verwicklungen bei binationalen Ehen

Gerade bei binationalen Ehen auch mit Deutschen kann Österreichs Anti-Adels-Kampf zu Verwicklungen führen: Der deutsche Mann ist ein «von», seine österreichische Frau keine «von», die Kinder dürfen wieder «von» heißen – sofern sie einen deutschen Pass besitzen.
«Wenn die Kinder nicht den absolut gleichen Namen wie die Mutter haben, dann gibt es bei Buchungen für Flüge und Hotels sowie an der Grenze immer ein Problem»,
meint von Steiger.
Auch der Enkel des letzten Kaisers, Karl Habsburg, ist von dem Gesetz, das im Verfassungsrang steht, betroffen. Auf seiner Homepage wagte er ein «Karl von Habsburg». Der Magistrat der Stadt Wien ging dagegen vor und er wurde 2018 zur Zahlung von 70 Euro Geldbuße aufgefordert. Dagegen wehrte sich der 58-Jährige. Das Gesetz gehöre auf «die Müllhalde der Geschichte», befand er jüngst. Das Verwaltungsgericht Wien machte in seinem Urteil von Mitte März jedenfalls klar, dass das «von» nicht infrage kommt. Aber wie die Strafe auszufallen habe, sei gegebenenfalls von der nächsten Instanz zu klären.
«Die grundsätzliche Frage ist, wie mit der Vollzugsanweisung, also der Strafhöhe, umzugehen ist»,
sagt die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Wien, Beatrix Hornschall.
Ärger und Behördenkosten
Der Ärger und die Behördenkosten für neue Dokumente übersteigen jedenfalls die aktuell drohenden Verwaltungsstrafen. Die hat das Gesetz von 1919 mit 20.000 Kronen angesetzt – das sind heute etwa 14 Cent. Allerdings wurde der Betrag 1927 in Schilling umgerechnet und 1948 auf 4.000 Schilling (rund 260 Euro) erhöht. 2017 scheiterte ein Vorstoß der Grünen, die Strafen zu verschärfen. Laut Zeitung «Die Presse» hat 2007 ein selbst ernannter «Freiherr» tatsächlich eine Strafe von zehn Cent bekommen.
Unüberhörbar ist dennoch die Liebe der Österreicher zumindest zu akademischen und beruflichen Titeln. So wird selbst der akademisch wenig aufregende «Magister» gern mit diesem Titel vorgestellt. Tische im Restaurant werden für den «Herrn Hofrat» reserviert und ein Obermedizinalrat ist ein vom Gesundheitsministerium ernannter Spitzenmediziner.
Aus Sicht von Anwalt Grünzweig könnte die Sache mit den angeblich adeligen Namenszusätzen spannend werden, wenn sich der VfGH höchstrichterlich mit dem «de» oder dem «di» befassen muss. «Wenn ein „de“ verboten würde, müsste dies jedenfalls aufgrund der Gleichbehandlung auch für das niederländische „van“ gelten», meint von Steiger mit Blick auf den Bundespräsidenten.
(MAG99/dpa)
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