«Walking on Water»: Kino-Dokumentation über Christo
- In Deutschland verhüllte der Ausnahmekünstler den Reichstag, in Italien ließ er Menschen auf dem Wasser wandeln. Ein neuer Film verrät, wie der 83-Jährige seine Ideen zu Kunstwerken macht(e). Von Julia Kilian

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Christo zählt zu den bekanntesten Künstlern der Welt. Und zu denen mit den wildesten Projekten. In Norditalien zum Beispiel ließ er Menschen über einen See laufen. Aber wie tickt der 83-Jährige? Und wie werden seine Ideen Wirklichkeit? Diese Fragen nimmt sich der Dokumentarfilm «Christo – Walking on Water» (Kinostart: 11. April 2019) vor. Er zeigt den in Bulgarien geborenen Künstler zwischen Hoffnung und Angst, in Ekstase und nahe am Nervenzusammenbruch.
Das beginnt schon in einer der ersten Szenen, als das Team über einen Katalog zum Italienprojekt berät. «Nein, nein, nein, nein», sagt Christo. Der Katalog sehe aus wie für ein Kaufhaus, wo man Schuhe, Pfannen und Töpfe kaufen könne. «Das ist eine Horrorgeschichte.» Irgendwann schreit ihn sein Neffe Vladimir Yavachev an: «Hör zu!».
Christo hat zusammen mit seiner Frau Jeanne-Claude den Reichstag in Berlin verhüllt und die Pariser Brücke Pont Neuf. Die beiden haben in der Vergangenheit Tausende Tore im New Yorker Central Park aufgestellt und in den USA einen Zaun aus Stoff gespannt.
Aufreibende Projekte

Jeanne-Claude ist vor zehn Jahren gestorben, aber Christo spricht noch viel von ihr. Der aus Bulgarien stammende Künstler ließ zuletzt in London einen Pyramidenstumpf aus Ölfässern bauen – in Abu Dhabi ist eine noch größere Variante von «The Mastaba» geplant. Wie aufreibend solche Projekte sind, zeigt das Beispiel in Norditalien.
Auf dem Iseosee ließ Christo vor drei Jahren schwimmende Stege bauen: Bespannt mit gelb-orangenem Stoff und so konstruiert, dass Menschen darauf laufen können. Die «Floating Piers» existierten 16 Tage, in der Zeit kamen rund 1,2 Millionen Besucher. Anfangs waren es so viele, dass das Projekt aus Sicherheitsbedenken fast abgebrochen worden wäre, wie man im Dokufilm erfährt.

Christo und sein Neffe Vladimir streiten darin leidenschaftlich. Zum Beispiel, wenn sie entscheiden müssen, wie sie die Stoffbahnen befestigen. Christo findet, Holz sehe aus wie bei einem Schaufenster. «Aber man sieht es doch gar nicht», ruft Vladimir. Mit dünnen Ketten wiederum werde es nicht funktionieren. Nein, entgegnet Christo. «Ich bin nicht glücklich mit dem Holz.»
In vielen Szenen wirkt der Künstler wie aus der Zeit gefallen. «Ich kann nicht Auto fahren», erzählt er vor Schülern. «Ich telefoniere nicht gerne.» Er habe eine minimale Ahnung, wie man einen Computer anmache. Aber was ihn interessiere, das seien die echten Dinge («real things»). Und das sagt er so charmant, dass man es fast nicht übersetzen mag: «Real wind, real dry, real wet, real fear, real joy».
700 Stunden Filmmaterial
Zur Deutschlandpremiere des Films kam Christo vor Kurzem nach Berlin. Mit schwarzer Brille, Schal und abstehenden Haaren erschien er im Kino, wirkte scheu, aber zufrieden. Seine Projekte brauchen meist mehrere Jahrzehnte der Vorbereitung und manche bekommen nie eine Genehmigung. Die Umsetzung der Kunstwerke finanziert Christo, indem er seine Skizzen für Millionensummen verkauft.
Regisseur Andrey Paounov hat für seinen Film mehr als 700 Stunden Filmaufnahmen genutzt, die andere Crews während des Projekts gemacht haben. Für Christo sei Kunst kein Endresultat, erklärt Paounov im Begleitmaterial zum Film, sondern ein Vorgang.
Der Dokumentarfilm wird in seinen 100 Minuten nie langweilig. Er zeigt Christo als Zweifler und Visionär, als Wütenden und fast etwas Schüchternen. Und als Menschen. Etwa wenn er zu einer Gartenparty von wohlhabenden Unterstützern eingeladen wird und viele ihn fragen: «Erinnern Sie sich noch an mich?» Er nickt dann höflich. Und scheint froh zu sein, als er mit dem Boot wieder ablegen kann.
(MAG99/dpa)
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