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Kooragala, vergessenes Dorf der Trommelbauer
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Kooragala, vergessenes Dorf der Trommelbauer

  • Im Dschungel von Sri Lanka besuchte unsere Reporterin Sabine Spinnarke einen Ort, den kein Reisebuch erwähnt – obwohl er Schauplatz einer ganz besonderen Legende ist.
Premarathne ist mit 68 Jahren einer der ältesten Trommelbauer des Dorfes. (Foto: Sabine Spinnarke)

Unbeachtet und nahezu vergessen, liegt ein kleines Dörfchen eingebettet im Dschungel des zentralen Hochlands Sri Lankas. Es liegt, am Ufer eines grünen Weihers nur wenige Kilometer entfernt von Embekke, dem 650 Jahre alten hölzernen Tempel des einstigen Königreichs Gampola.

Der Ort Kooragala wird in keinem Reiseführer erwähnt und selbst die Einwohnern der knapp 20 Kilometer entfernten Distrikthauptstadt Kandy kennen ihn nicht. Dabei spielten die Bewohner Kooragalas schon vor Jahrhunderten eine zentrale Rolle im kulturellen und religiösen Leben Sri Lankas und spielen sie noch heute.

Seit vielen Generationen fertigen sie die traditionellen Trommeln für religiöse und kulturelle Zeremonien. Ein kleines Monument neben dem Dorfplatz zeugt von der Würdigung, die einer ihrer Bewohner dereinst vom Präsidenten des Landes für seine Verdienste um die Kultur Sri Lankas erhalten hat. Verstaubt und umgeben von in die Erde gepflockten Tierhäuten droht auch er vergessen zu werden.

Die Legende des Trommlers

Vor siebenhundert Jahren fing alles mit einem Trommler an. Dieser lebte der Legende nach in der Nähe Embekkes. Er litt an einer schweren Hautkrankheit. Auf der Suche nach Linderung reiste er zu einem Tempel im Süden des Landes und betete dort zum Gott Katargama um Genesung. Die ward ihm geschenkt und aus Dankbarkeit trommelte er dort Jahr für Jahr zu Ehre des gütigen Katargama. Als er zu alt und schwach für seine alljährliche beschwerliche Reise in den Süden wurde, erschien ihm der Gott im Traum und sprach

«Sorge dich nicht, Trommler. Ich zeige dir mit einem Wunder, wie du ab jetzt friedlich in deinem Dorf leben kannst und weiterhin für mich trommeln kannst.»

In prachtvollen Gewändern begleiten Trommler mit ihren Rhythmen die buddhistischen Mönche bei ihrem täglichen Ritualen im Zahntempel Kandys.(Foto: Sabine Spinnarke)
In prachtvollen Gewändern begleiten Trommler mit ihren Rhythmen die buddhistischen Mönche bei ihrem täglichen Ritualen im Zahntempel Kandys. (Foto: Sabine Spinnarke)

Kurz darauf beschnitt ein Gärtner im Nachbarort Embekke einen Kaduru Baum. Doch statt der weißlich milchigen Flüssigkeit, trat ein blutähnlicher roter Saft aus den Schnittstellen. Die Nachricht verbreitete sich schnell und der Trommler berichtete den zusammenströmenden Bewohnern der umliegenden Dörfer von seinem Traum.

Daraufhin errichteten die Menschen an dieser Stelle einen Tempel und widmeten ihn Katargama. Der alte Trommler ließ von da an seine Trommel in Embekke zu Katargama sprechen. Den Einwohnern des Dorfes Kooragala wurde alsbald die Aufgabe übertragen die Trommeln für die Tempelzeremonien herzustellen. Bei diesem Handwerk sind sie bis heute geblieben.

Unsere Reise nach Kooragala

Gemeinsam mit Benjamin, einem Tamilen aus Kandy, mache ich mich auf die Suche nach dem Dorf, dessen Bewohner seit 600 Jahre dieser Verpflichtung nachkommen. Mit dem Tuktuk quälen wir uns durch die chronisch verstopften Straßen Kandys hinaus gen Südwesten.

Nach einer halben Stunde halsbrecherischer Überholmanöver wird es ruhiger auf der schmalen Straße, die Landschaft grüner und wir fahren flott an Reisfeldern, Büschen und Bananenstauden des Kreises Udunuwara vorbei. In der Nähe Embekkes beginnen wir nach Kooragala zu fragen, doch keiner kennt den Ort.

Zwei Stunden benötigen die Frauen für das Aushöhlen eines Stammes. Nach der harten Arbeit gönnen sie sich eine Pause. (Foto: Sabine Spinnarke)
Zwei Stunden benötigen die Frauen für das Aushöhlen eines Stammes. Nach der harten Arbeit gönnen sie sich eine Pause. (Foto: Sabine Spinnarke)

Ein Tuktukfahrer vor einem kleinen Lebensmittelladen von dessen Decke in langen Ketten bunte Portionstütchen mit Seifen, Shampoos und Waschmittel hängen, erklärt uns wortreich auf Singhalesisch, wie wir weiter kommen. Das Dorf finden wir dennoch nicht.

Nach zwei weiteren Stops werden wir in ein kleines Seitensträßchen geschickt und stehen nach einem Kilometer vor einer großen Dampfwalze. Ein Trupp hagerer Straßenarbeiterinnen mit zerfurchten Gesichtern stehen in staubigen verdreckten Hemden und Tüchern, in einer schwarzen Wolke und teeren die Straße. Hier gibt es kein Durchkommen und wir müssen es von der anderen Seite her versuchen.

Wir fliehen aus den stinkenden schwarzen Wolken und erreichen nach einer weiteren 10minütigen Fahrt, eine ungeteerte Straße. Es geht ein Stück bergauf und plötzlich stehen wir in dem Weiler Kooragala: eine Handvoll vereinzelter Häuser, umgeben von üppig grünem Buschwerk, ein schmales Sträßchen mit 2, 3 kleinen Abzweigungen. Das Gezirpe und Gezwitscher aus den Bäumen wird nun überdeckt von dem Kreischen einer Säge und dem rhythmischen Klopfen zahlreicher Hämmer. Wir stehen vor einer einfachen offenen Halle, davor auf Plastikstühlchen eine Gruppe hammerschwingender Frauen.

Ankunft im Dorf der Trommelbauer

Ein junger, bärtiger Mann tritt uns entgegen und stellt sich als Roshan Tayasena vor, Sohn des Familienvorstands und seit zehn Jahren Trommelbauer. Er will uns sein Handwerk vorstellen. Aber zunächst führt er uns vorbei an Häufen von Holzresten am Wegesrand, hin zu einer kleinen offenen Ladenwerkstatt, ein Stück weiter die Straße hinunter. Dort sitzt ein alter Mann im Sarong auf dem Boden, zwischen den Beinen, eine etwa 70 cm hohe Röhrentrommel, auf der er gerade mit Hilfe eines Rings aus Bambusstreifen eine Trommelhaut spannt. Er soll uns etwas über die Geschichte des Dorfes erzählen.

Ursprünglich lag das Dorf auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen grünen Sees. Vor 45 Jahren wechselten sie die Seiten und sind seither leichter zu erreichen. (Foto: Sabine Spinnarke)
Ursprünglich lag das Dorf auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen grünen Sees. Vor 45 Jahren wechselten sie die Seiten und sind seither leichter zu erreichen. (Foto: Sabine Spinnarke)

Der 68-jährige Premarathne beginnt los zu sprudeln, als seien die vergangenen Tage der Könige noch gar nicht so lange verstrichen. Er zeigt zum Weiher hin:

«Wir haben damals vom König von Gampola Land auf der anderen Seite des Sees bekommen. Für jede Familie gab es einen halben Acre. Unsere Vorfahren mussten dafür die Fußketten für die Elefanten fertigen.»

Dann kamen die Tänze auf und der König verlangte nach Trommeln. Seitdem fertigen die Dorfbewohner die traditionellen Gata Bereyas. Seit mehreren hundert Jahren gibt Generation für Generation ihr Können und Wissen weiter an die folgende.

Über lange Zeit war das Dorf schlecht zu erreichen und die Bewohner lebten isoliert im grünen Dschungel des Berglandes. Doch heute führen zwei Straßen zu dem Ort.

«Vor 45 Jahren ist unser Dorf umgezogen, auf diese Seite des Sees. Mit dem Tempel Embekke haben wir nichts mehr zu tun»,

sagt der hagere Mann, während er sich behände durch seine kleine Werkstatt bewegt. In dem Regal an der hinteren Wand der Ladenwerkstatt stapeln sich Trommeln aller Arten und Größen. Zwischen allem ein kleiner Röhrenfernseher.

Beeindruckende Instrumente

Premarathne zieht eine Gata Bereya hervor, die am häufigsten hergestellte Röhrentrommel für buddhistische Tempelzeremonien. Sie wird waagrecht gehalten und von beiden Seiten bespielt. In der einen Seite hält Premarathne ein gebogenen Holzklöpel, auf der anderen Seite schlägt er mit der flachen Hand einen schnellen Trommelwirbel. Über die größere Öffnung wird Rinderhaut gespannt, über die kleinere Ziegenhaut, das ergibt einen vollen und einen helleren Klang. Über den Bambusring, der die Trommelhaut hält kann das Instrument gestimmt werden.

Roshan testet den Klang einer Trommel. Schlägt er auf die eine Seite, wirkt der Klang heller, schlägt er auf die andere ist er deutlich dunkler. (Foto: Sabine Spinnarke)
Roshan testet den Klang einer Trommel. Schlägt er auf die eine Seite, wirkt der Klang heller, schlägt er auf die andere ist er deutlich dunkler. (Foto: Sabine Spinnarke)

Inzwischen hat der alte Mann eine flache Trommel in Form eines Oktagons, hervorgezogen. Über unser Staunen freut er sich. Es ist seine größte Trommel, sie wird von bis zu acht Frauen gleichzeitig bespielt. Sie dient der Begrüßung der Gäste eines Neujahrsfest. Er zeigt uns noch ein aus zwei Trommeln bestehendes Instrument mit dem klangvollen Namen Thammattama, Der junge Mann Roshan wird ungeduldig, er will uns mehr zu den einzelnen Handwerksschritte zeigen und winkt uns wieder zur Strasse hin. Erst treten wir an einen Haufen zersägter Stämme. Dort zählt Roshan auf, welches Holz für den Trommelbau geeignet ist: Kokospalme, Jackfruchtbaum, Fishtailpalm, Magosa, Waya, Ehala, Mahogani.

Das Fällen der Bäume ist traditionell Männerarbeit. Um geeignete Stämme zu finden, müssen die Männer des Dorfes oft kilometerweit in den Wald hineinlaufen. Da der Sri Lankische Staat das Fällen früchtetragender Bäumen verbietet, um den Armen des Landes eine wichtige Nahrungsquelle erhalten, brauchen die Dorfbewohner Sonderlizenzen für das Fällen jedes Baumes. Das ist teuer. Auch sind ihre Mittel begrenzt, größere Kundenkreise zu erschließen. Es sind die Tanz- und Trommelschulen des Landes, die sie beliefern. Diese wiederum erhalten häufig staatlichen Subventionen, eine riskante Abhängigkeit.

«Hören wir auf, geht unsere Handwerkskunst verloren.»

Wir sind inzwischen wieder an der ersten Werkstatt angekommen. Dort werden mit einer Motorsäge die Stämme in passende Abschnitte zersägt. Ein barfüßiger Mann modelliert mit einer Axt die Rohform aus dem Stammsegment. Ein anderer Arbeiter mit nacktem Oberkörper spannt die Stammstücke in die einzige Maschine des Dorfes. Es ist eine einfache Drehmaschine. Während sich das eingespannte Holz dreht, verfeinert er mit einem Stemmeisen konzentriert die Form und fräst Ringe in das Holz. Die Späne fliegen.

Shrivani ist froh, dass ihre Töchter etwas anderes lernen. Die Arbeit ist hart und sie hängt weniger an der Handwerkskunst des Trommelbaus. (Foto: Sabine Spinnarke)
Shrivani ist froh, dass ihre Töchter etwas anderes lernen. Die Arbeit ist hart und sie hängt weniger an der Handwerkskunst des Trommelbaus. (Foto: Sabine Spinnarke)

Neben ihm, im Schatten des Vordaches inmitten von Sägespänen schwingen die Frauen unermüdlich ihre Hämmer. Auf dem Schoß der einen, ein Zweijähriger, der gerade gestillt wird, während die anderen Frauen das Holz aus dem Inneren der Trommelkorpi stemmen.

Eine rundliche Frau im bunten Rock, Roshans Mutter, erzählt uns, dass sie für eine Trommel 2 bis 2 ½ Stunden benötigen. Die anderen Frauen hören neugierig zu, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Spaß mache ihr die Arbeit nicht. Die Frauen lachen. «Das ist viel zu schwer», ruft sie. Roshan, ihr Sohn, schaut besorgt zu ihr herüber. Sie ignoriert ihn. «Ich bin so froh, dass meine beiden Töchter auf die Universität gehen.»

Roshan führt uns von der Gruppe weg. Er verteidigt sein Handwerk. Er sei zufrieden mit seiner Arbeit und wolle damit weitermachen, «Hören wir auf, geht unsere Handwerkskunst verloren.»

Es ist ein großer Wissensschatz, den die Bewohner Koragaala über die vergangenen Jahrhunderten aufgebaut haben. Nur sie wissen, welche Stämme die richtigen sind, wie die Tierhäute in dem feuchten Klima getrocknet werden können, wie der Bambus zu biegen ist, ohne dass er bricht, wie die Trommeln gearbeitet sein müssen, dass ihr Klang und die Qualität stimmt.

«Es gibt keine Schule, in der man das lernen kann»,

sagt der 25-jährige. Er hat mit 13 Jahren angefangen in dem Familienbetrieb mitzuarbeiten. Sein Vater und sein Großvater sind Trommelbauer wie er.

Wirtschaftlicher Druck ist allgegenwärtig

Insgesamt leben in Kooragala 85 Familien. 20 von ihnen sind unternehmerisch tätig als Trommelbauer, die anderen stellen die Arbeitskräfte. Roshan selbst kümmert sich um den Verkauf der Trommeln. Der läuft dieses Jahr wieder etwas besser. «Letztes Jahr haben die Schulen keine Trommeln bestellt. Wir hatten wenig zu tun», sagt der Mann mit den ernsten dunklen Augen.

Wir stehen vor dem Dorfladen, einem kleinen Kiosk, in dem es Getränke, Süßigkeiten und Hygieneartikel gibt. Auch der wird von Roshans Familie betrieben. Premarathe, der alte Mann im Sarong, kommt die Straße hinauf, er hat noch eine Visitenkarte für uns. Er berichtet, dass der wirtschaftliche Druck immer da sei, aber dass er glücklich sei, den Kindern eine Schulbildung finanzieren zu können. Dem Dorf gehe es besser, als den Nachbargemeinden, doch wie lange wird das so bleiben?

Die Familienunternehmen arbeiten ohne Zwischenhändler, sie betreiben kein Marketing, die Konkurrenz unter ihnen ist groß. Roshan zuckt die Schultern:

«Die Qualität muss immer hoch sein, sonst drängt eine andere Familie nach vorn.»

Die Arbeit ist hart und viele Familien wünschen sich für ihre Kinder etwas besseres. Es wird Zeit, dass Wissen und Fähigkeiten der Dorfbewohner gewürdigt werden. Dafür wollen Männer wie Roshan und Premarathe lauter trommeln. Gelingt ihnen das nicht, stirbt eine ganz besondere Handwerkskunst aus.

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Karte Sri Lanka

Anreise 

Mit dem Flugzeug in die Hauptstadt Colombo, von dort geht es per Zug weiter nach Kandy. Über die Bundesstraße A1 Richtung Colombo bis zur Gadaldeniya Rd. und dann Richtung Norden. Nach etwa 4 Kilometern findet sich die Abzweigung nach Kooragala. Es wird empfohlen, ein Taxi oder Tuktuk zu nutzen.

Einreise

Das Visum wird bei Einreise direkt am Colombo International Airport gegen eine Gebühr in Höhe von 40,00 US-$ erteilt. Touristen mit vorläufigen Reisepass müssen dieses jedoch unbedingt vorab unter http://eta.gov.lk online beantragen.

Reisezeit

Die beste Reisezeit gibt es nicht für Sri Lanka. Zwischen Mitte Mai und Ende September wird aber aufgrund des Südwestmonsuns von einer Reise an die Südwestküste abgeraten. Hier können Sie sich über den besten Zeitpunkt für verschiedene Aktivitäten informieren https://my-road.de/reisezeit-sri-lanka/

Weitere Informationen

Sri Lanka Tourismuszentrale, Nr. 80 Galle Road, Colombo 03, Sri Lanka, Tel.: +94 (0) 112 426 900, http://srilanka.travel

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(MAG99)

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