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Insel-Charme und Winter-Wonne: Urlaub auf Fanø
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Insel-Charme und Winter-Wonne: Urlaub auf Fanø

  • Wenn der erste Schnee fällt, deckt er den kleinen Landstrich im Meer westliche von Dänemark mit einer weißen Decke zu. Die Kamine werden befeuert, Kerzen entzündet und Milchreis gekocht. Es entsteht eine heimelige Atmosphäre, die man hier als «hygge» kennt. Warum jetzt alle hierhin reisen wollen, weiß Andreas Heimann.
Wer in der kalten Jahreszeit nach Fanø kommt, sucht ruhige Natur und Behaglichkeit.

An diesem eisigen Wintermorgen ist der Himmel ein einziges großes Grau. Nachts waren es drei Grad unter null. Auch lange nach Sonnenaufgang ist der Frost noch zu spüren. Am Strand von Sønderho im Süden von Fanø lässt sich niemand blicken, keine Jogger, keine Spaziergänger. Der Wind weht über die Dünenkette, vor der sich das Wattenmeer scheinbar endlos ausbreitet.

Gemütlich ist es nicht gerade. Dabei gilt Fanø, die kleine Insel vor der jütländische Westküste mit ihren rund 3400 Menschen als besonders hyggelig – wenn nicht gar als Inbegriff dänischer Behaglichkeit, um die so viele Deutsche die nördlichen Nachbarn beneiden.

Doch bei diesen Temperaturen ist von Hygge nichts zu merken, jedenfalls nicht, wenn der Wind von vorne kommt. Helen Dörte Mähler ist das gewohnt. Die 37-Jährige trägt einen Schneeanzug, der die Kälte nicht durchlässt, und macht am Strand ein, zwei vorsichtige Schritte nach vorne. Im Wattenmeer vor Fanøs Küste ist Ebbe, die Nordsee hat sich weit zurückgezogen. Den Wattboden bedeckt eine dünne Eisschicht, die an vielen Stellen spiegelglatt ist.

Hier bläst der Wind auch mal kräftig von vorne.
Hier bläst der Wind auch mal kräftig von vorne. (Foto: Andreas Heimann/dpa)

Winter im Wattenmeer

Mähler kennt das Watt gut, auch im Winter. Nach ein paar Minuten läuft es sich auf dem Eis wie sonst auf dem Schlickboden, das leichte Knacken muss niemanden beunruhigen. Und der Wind ist bald vergessen.

Mähler macht regelmäßig Führungen auf ihrer Insel, bei gutem Wetter bis zu der Sandbank, auf der sich Seehunde und Kegelrobben von ihren Beutezügen in der Nordsee ausruhen. Aber an diesem Wintermorgen ist sie leer. Bei Kälte lassen sich die Seehunde dort seltener blicken. «Da müssen sie mehr fressen und sind öfter im Wasser», sagt Mähler nach einem Blick durch ihr Fernglas.

Das Wattenmeer scheint sich am Horizont im wintergrauen Nichts zu verlieren. Auf dem Boden liegen die Schalen von Schwert- und Herzmuscheln. «Und Möwenkotze.» Mähler zeigt auf die hellen, breiigen Haufen. «Die spucken die zerkleinerten Schalen der Muscheln, die sie verschlucken, wieder aus.» Eine Wellhornschnecke hat Mähler auch schnell gefunden. Und Hügel, die Wattwürmer produzieren.

Bei winterlicher Kälte lassen sich die Seehunde auf Fanø nicht so häufig blicken.
Bei winterlicher Kälte lassen sich die Seehunde auf Fanø nicht so häufig blicken. (Foto: Destination Sydvestjylland/dpa)

Hygge unter dem Reetdach

Helen Dörte Mähler stammt aus der Nähe von Hamburg. Sie ist mit ihren Eltern drei Jahrzehnte lang im Urlaub immer wieder nach Fanø gefahren und wohnt mit ihrer eigenen kleinen Familie seit mehr als vier Jahren in Sønderho in einem Reetdachhaus.

Davon gibt es dort ziemlich viele. Rund 75 stehen unter Denkmalschutz. Das Dorf mit seinen rund 350 Einwohnern gilt als besonders hyggelig und wurde 2011 zum schönsten in ganz Dänemark gewählt.

Alle Häuser haben höchstens zwei Etagen. Manche scheinen etwas ins Wanken geraten zu sein. Hier ist mal ein Fenster schief, da eine Tür. «Die Fanø-Häuser haben kein Fundament», sagt Mähler bei ihrer Dorfführung. In den Fenstern steht oft ein Paar Porzellanhunde, wie Seefahrer früherer Jahrhunderte sie als Souvenirs mit nach Hause brachten. Die Frauen sollen sie genutzt haben, um ihren Liebhabern zu signalisieren, ob sie vorbeikommen können: «Gucken die Hunde raus, ist der Ehemann noch auf See», erklärt Mahler.

Typisches Reetdachhaus auf Fanø: Manche der Häuser scheinen etwas ins Wanken geraten zu sein. Mal ist ein Fenster schief, mal eine Tür.
Typisches Reetdachhaus auf Fanø: Manche der Häuser scheinen etwas ins Wanken geraten zu sein. Mal ist ein Fenster schief, mal eine Tür. (Foto: Andreas Heimann/dpa)

Die Insel der Seeleute

In Sønderhos erstaunlich großer Kirche aus dem späten 18. Jahrhundert hängen 15 Schiffsmodelle, die meisten von Seeleuten mit großem Aufwand und viel Liebe zum Detail gebaut. Vom alten Hafen am Ortsrand des Dorfes ist allerdings nichts mehr zu sehen, er ist versandet.

«Fanø wächst jedes Jahr ein paar Zentimeter Richtung Westen», weiß Mähler. Sie ist vor einer Sturmflutsäule stehengeblieben und zeigt auf die Wasserstände bei Land unter – den rechten Arm muss sie dabei weit nach oben strecken. Sturmflut an der Nordsee ist alles andere als gemütlich.

Auf Fanøs Westseite erstreckt sich der rund 15 Kilometer lange Strand – der Hauptgrund, warum die Insel bei Touristen so beliebt ist und warum Fanø das erste Kurbad Dänemarks hatte. Die Ostseite zum Wattenmeer hin friert im Winter schon mal zu. In früheren Jahrhunderten fuhren Inselbewohner dann mit der Kutsche aufs Festland, heute kommen hin und wieder Füchse übers Eis.

Fanø war in der dänischen Schifffahrtsgeschichte mal eine große Nummer: Die Insel hatte die zweitgrößte Flotte nach Kopenhagen und Sønderho fast dreimal so viele Einwohner wie heute. Schon damals war der «Sønderho Kro» eine der ersten Adressen der Insel, eines der ältesten Gasthäuser Dänemarks, erbaut 1722.

Auf Fanø reicht die Sicht im Winter oft nur ein paar Meter weit.
Auf Fanø reicht die Sicht im Winter oft nur ein paar Meter weit. (Foto: Andreas Heimann/dpa)

Milchreis und Geborgenheit

Auch wenn es draußen schüttet, der Wind pfeift und es am frühen Abend längst stockdunkel ist, sitzen dort die Gäste in der Stube mit der tiefen Holzdecke und den holländischen Fliesen an den Wänden. Der Rest der Welt scheint dann plötzlich weit weg zu sein.

Das Gefühl der Geborgenheit, das Wissen, dass als nächster Gang Milchreis serviert wird, wie das in Dänemark typisch für die Weihnachtszeit ist: Vielleicht ist das der Inbegriff von Hygge.

Zwei Frauen an einem Tisch in der Ecke scheinen mit einer dänischen Spezialität nachhelfen zu wollen. Sie bestellen schon zum zweiten Mal Kaffeepunsch mit Brøndums-Snaps, einem hochprozentigen Aquavit.

Das Gasthaus «Sonderho Kro» mit seiner gemütlichen Stube.
Das Gasthaus «Sonderho Kro» mit seiner gemütlichen Stube. (Foto: Andreas Heimann/dpa-tmn)

Deko aus dem Wald

An dem Morgen, an dem Mähler in den Wald möchte, um Tannenzapfen und Kiefernzweige für die Weihnachtsdekoration zu sammeln, guckt die Sonne nur vorsichtig aus dem grauen Himmel. «Bei Sturm ist es im Winter manchmal beißend kalt», erzählt sie.

Mähler steht am Waldspielplatz ein Stück nördlich von Sønderho. Die Grashalme in den Dünen sind mit Raureif überzogen, genau wie Kiefern, Birken und einige der Holzskulpturen, die ein lettisches Künstlerpaar geschaffen hat. Die Kiefernzweige will Mähler später mit roten Schleifen und roten Kugeln versehen. Weihnachtsdeko sei in Dänemark eine wichtige Sache und unverzichtbarer Bestandteil des Hygge-Feelings im Winter.

Nackt ins Meer

Es gibt in der kalten Jahreszeit Tage, da ist der Nebel so stark, dass die Masten im Jachthafen der Inselhauptstadt Nordby geradezu malerisch aus dem Nichts aufzutauchen scheinen. Und am nicht weit entfernten Fähranleger ist das Schiff aus Esbjerg noch kurz vor dem Ufer nur schemenhaft zu erkennen.

Aber selbst an solchen Tagen ist es nicht ungewöhnlich, dass der ein der andere Inselbewohner am Strand die Hüllen fallen lässt und nackt oder knapp bekleidet in die Nordsee hechtet. Hygge ist vielleicht auch eine Frage des Abhärtens.

Nähen ist hyggelig

Lone Müller Sigaard sitzt in der Küche ihres hyggeligen Hauses, das vom Fähranleger nur fünf Minuten entfernt ist. Am Nachmittag hat sie genäht, eine Jacke, wie sie zur Tracht der Insel gehört. Sie hat schon eine, die ihrer Urgroßmutter gehört und eine von ihrer Mutter. «Aber ich wollte eine, die mir wirklich passt.»

Handarbeit gehört zu hygge. Wie zum Beispiel das Strick-Festival auf Fanø.
Handarbeit gehört zu hygge. Wie zum Beispiel das Strick-Festival auf Fanø. (Foto: Red Star Photo/Destination Sydvestjylland/dpa)

Nähen ist für Lone Müller Sigaard etwas Typisches für die kalte Jahreszeit, wenn auf der Insel alles deutlich ruhiger wird. «Es war allerdings das erste Mal, dass ich mich an eine Jacke gewagt habe, die ist das Schwierigste», erzählt die 46-Jährige. «Man braucht einen ganzen Winter dafür.»

Um zu lernen, wie das geht, hat die Inselbewohnerin an einem Trachtennähkurs teilgenommen. «Die Trachten gehören zu den besonderen Traditionen von Fanø, die hier nie ausgestorben sind. Ich mache auch für meine Tochter noch ein Kleid», erzählt sie.

Heiraten auf Fanø

Zu den noch lebenden Traditionen der Insel gehört auch der Volkstanz. Die Gruppe in Nordby trifft sich einmal die Woche, Lone Müller Sigaard ist ebenfalls dabei.

Vielleicht macht es auch die Insel gerade für viele Deutsche so attraktiv, dass manches, was anderswo nur Folklore ist, hier noch authentisch wirkt – auch wenn im Alltag keine Frauen mehr in Tracht rumlaufen. Lone Müller Sigaard stammt von der Insel, hat aber 18 Jahre lang in Valencia und Kopenhagen gewohnt. Inzwischen lebt sie davon, dass viele andere Fanø genauso hyggelig finden wie sie. Und mit ihrer Hilfe auf der Insel heiraten wollen.

Rund 500 Paare reisen jedes Jahr zur Hochzeit auf Fanø an, viele davon aus Deutschland. «Hochsaison dafür ist von Mai bis September – und dann im Dezember», sagt Lone Müller Sigaard. Warum bloß? «Dezember ist der Hygge-Monat.» Im Winter sei dieses Gefühl von Gemütlichkeit und Geborgenheit noch viel intensiver zu spüren. Dieses Zusammenrücken, wenn es draußen kalt und dunkel ist. Klingt einleuchtend: Wer braucht schon Hygge im Hochsommer?

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Anreise

Fanø – gesprochen: Fänö – liegt westlich von Esbjerg im Wattenmeer vor der jütländischen Küste. Die südliche Nachbarinsel ist Rømø. Esbjerg ist gut per Auto oder Zug zu erreichen. Vom Bahnhof fährt ein Bus in zehn Minuten bis zum Hafen. Die Fähre ab Esbjerg braucht nicht einmal eine Viertelstunde und pendelt auch im Winter regelmäßig zwischen Festland und der Inselhauptstadt Nordby. Der Fährverkehr fällt nur bei extremen Wetterbedingungen aus. Die Fährschiffe «Fenja» und «Menja» nehmen auch Autos mit.

Übernachtung

Im Sommer ist Fanø jedes Jahr ausgebucht, die meisten Gäste kommen im Juli/August. Die Zahl der Übernachtungen ist in den beiden Monaten fast 30 Mal so hoch wie in der ganzen Wintersaison von November bis März. Der ruhigste Monat ist der Januar. Drei Viertel der Gäste kommen aus Deutschland. Fanø-Touristen buchen meistens Ferienhäuser und -wohnungen. Die Zahl der Hotels ist überschaubar, nicht alle haben im Winter durchgehend offen.

Informationen

Fanø Turistbureau, Skolevej 5-7, Nordby, 6720 Fanø (Tel.: +45 70 26 42 00, E-Mail: mail@visitfanoe.dk)
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(MAG99/dpa)

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