Drachen vor Hochhäusern: Diese Gegensätze vereint Hongkong
- In der chinesischen Metropole verschmelzen asiatische Traditionen und westliche Moderne. Das können Sie überall erleben und spüren. Besonders deutlich zeigen sich die Kontraste beim jährlichen Bootrennen im Victoria Hafen. Von Simone Andrea Mayer

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Feinbemalte Drachenköpfe pflügen durch das aufgewühlte Wasser. Die farbenprächtigen Figuren zieren die Buge der schmalen, langen Paddelboote, die zwischen den Lastkähnen im Hafen an der schimmernden Skyline der Großstadt vorbeiziehen. In jedem Drachenboot sitzen 18 durchtrainierte Athleten, die synchron zum Schlag der Trommeln und den Rufen der Steuermänner ihre Paddel ins Wasser stoßen. Immer wieder und wieder, bis die Boote Hunderte Meter weiter über die Ziellinien jagen.
Wenn die Athleten keine bunte Sporthemden tragen und der Blick nicht immer wieder auf die verspiegelten Fronten der Hochhäuser fallen würde, könnte man glatt vergessen, dass man sich im Hier und Heute befindet. Denn genau so fanden Drachenbootrennen schon vor vielen, vielen Jahren statt.
Von der Tradition zum Event
In Hongkong wird diese jahrhundertealte chinesische Tradition seit einigen Jahrzehnten wieder gepflegt. 1976 zogen neun Boote mit Einheimischen und einer japanischen Gastmannschaft durch den Victoria Hafen. Seitdem findet zu Ehren eines großen Dichters immer am fünften Tag im fünften Monat des Mondkalenders ein großes Drachenbootrennen statt, erläutert das Fremdenverkehrsamt Hongkongs. Das wäre 2019 zwar der 7. Juni, das Festival wird aus organisatorischen Gründen allerdings erst eine Woche später vom 14. bis 16. stattfinden.

Was vergleichsweise klein begann, hat sich inzwischen zu einem großen Event entwickelt. Vor der beeindruckenden Skyline Hongkongs treten heute nicht nur Boote aus den verschiedenen Distrikten gegeneinander an. Inzwischen stellen auch viele Firmen eigene Mannschaften. Zudem erhalten immer mehr internationale Athleten eine Starterlaubnis. Die Zahl der Teilnehmer lag 2018 bei 5000. Für sie ist das Drachenbootrennen ein echtes Kräftemessen und keine folkloristische Schau für die Touristen.
«Das Dragon Boat ist keine einmalige Angelegenheit, für uns ist es großer Sport»,
sagt Marco Frunz, ein Schweizer, der in Hongkong lebt. Der Sport werde von 15 Millionen Menschen weltweit betrieben, sein Team trainiere das ganze Jahr zwei- bis dreimal und fahre regelmäßig Qualifikationsrennen mit – um am großen Event im Victoria Hafen teilnehmen zu können. «Quasi jede Firma hat ein eigenes Team, das wird sehr ernst genommen und ist eine große Ehre.»
Für die Bewohner der Stadt und die Besucher ist das dreitägige Drachenbootrennen aber auch ein Volksfest. Denn an dem Wochenende im Juni wird die Central Harbourfront zu einem Rummelplatz mit zahllosen Imbissständen, Karussells und Wasserattraktionen. Hunderttausende Zuschauer feuern die Athleten in den Booten vom Ufer aus an.
Nebenbei Spezialitäten verkosten

Wer sich über das Volksfest treiben lässt, kann neben dem hochwertigen, aber bekannten Streetfood auch echte chinesische Spezialitäten entdecken. «Zongzi»-Dumplings etwa werden öffentlich nur während des Drachenbootrennens angeboten, erklärt der einheimische Reiseführer Zelo Dai. Die Reisklößchen mit Nüssen und und Rosinen, die in Bambusblättern gegart wurden, gehören zur Geschichte der Drachenbootrennen.
Der Legende nach soll sich einst der Chinese Qu Yuan aus Protest gegen korrupte Machthaber selbst in einem Fluss ertränkt haben. Damit die Fische seinen Leichnam nicht anknabbern, warfen die Menschen die «Zongzi»-Dumplings ins Wasser und machten mit Trommeln Lärm, um die Fische zu vertreiben. Um an dieses Ereignis zu erinnern, werden die Spezialitäten anlässlich des Drachenbootrennens angeboten.
Unter Naturschutz

Doch Hongkong bietet weit mehr als buntes Volksfest vor der Skyline am Hafen. Die Millionenmetropole ist unerwartet grün. Insgesamt umfasst die Stadt eine Fläche von mehr als 1100 Quadratkilometern, die sich über drei Gebiete verteilt: Hongkong Island, die Halbinsel Kowloon und die New Territories. Zwei Drittel des Stadtgebietes, das aus 262 Inseln besteht, sind nicht bebaute Landschaften, 40 Prozent der Fläche stehen unter Naturschutz.
Deutlich wird der Kontrast auf der Insel Lantau, und ganz besonders in dem Fischerdorf Tai O. Gebaut wurden die Häuser dort direkt in das Wasser, auf wackelig wirkenden Stelzen. Das Transportmittel der Wahl sind Kutter – in denen auch Touristen gerne durch die Kanäle gefahren werden. Wer aussteigt, geht über kleine Brücken und durch enge Gassen vorbei an unzähligen Marktständen – das Produkt der Wahl ist konservierter Trockenfisch. Weiter weg könnte der hektische und schnelllebige Finanzdistrikt der Stadt von hier aus gefühlt nicht sein – dabei sind es gerade einmal 30 Kilometer Luftlinie. Und eine Fähren-Fahrt.

Ähnlich wirkt die Idylle oben in den grünen Hügeln der Inseln Lantau. Hinauf geht es leise mit einer Seilbahn. Den Boden kann man von der Kabine aus kaum sehen, so dicht stehen unten die Wälder. Nur ab und an tauchen Wege und winzige Wanderer auf. Und dann zeigt sich irgendwann zwischen Nebelschwaden eine überdimensionale, 34 Meter hohe bronzefarbene Buddhafigur.
Sie und das nahe liegende Po Lin Kloster sind Pilgerstätten für Gläubige aus ganz Asien – und das merkt man dem einst einsamen Ort auch an. Den Weg zum Klostereingang säumen kitschige Souvenirstände und Ableger internationaler Fastfood-Ketten. Hier oben scheint es nichts zu geben, was es nicht gibt. Doch gut essen kann man auch in dem Kloster selbst, in einem vegetarischen Restaurant.
In der Metropole herrscht Gedränge
Nach einem solchen Ausflug kan man sich im wuseligen Zentrum der Stadt fast ein wenig verloren vorkommen. Etwa an der Causeway Bay, wo alle internationalen Marken einen Shop betreiben und sich schicke Restaurants an hippe Cafés, Hotels und Bürokomplexe reihen. Wo die Dichte an Anzugträgern hoch ist, wo sich die Menschen in den Straßen noch hektischer bewegen, anrempeln und drängeln. Wo die Werbetafeln grell und in schnellen Bildern um Aufmerksamkeit der Passanten buhlen. Hier fällt das Durchatmen schwer.

Etwas ursprünglicher ist das dichte Treiben auf dem Pei Ho Street Market im Stadtteil Sham Shui Po. Dieser Teil der Stadt wird gemeinhin als das ursprüngliche, etwas chaotische anmutende Hongkong angesehen. Denn statt glänzender Flagshipstores findet man hier eher kleine Läden, statt großer Restaurants eher kleine Imbisse.
Hier ist die Fülle an Reizen oft so dicht, dass selbst Einheimische an alteingesessenen Institutionen wie Kung Wo Beancurd Factory in der Pei Ho Street vorbeilaufen. «Ihn gibt es seit den 60er Jahren, er ist wirklich ungewöhnlich», sagt der Reiseführer Zelo Dai. «Aber ich muss immer wieder danach suchen.» Dabei ist der gezuckerte Soja-Brei, der in dem Traditionsshop serviert wird, eine echte lokale Delikatesse.
Kurioses findet sich in kleinen Gassen
In dieser Gegend der Stadt kann man, wenn man sich die Zeit nimmt, echte Kuriositäten finden – etwa Bo Wah Effiges in der Fuk Wing Street. In diesem Laden werden Opfergaben aus Papier gefertigt und verkauft – die Bandbreite reicht von Autos oder Handys bis zu Handtaschen oder Schuhen.
Solche kleinen Entdeckungen liebt auch die deutsche Auswandererin Alexandra Unrein, die beruflich Touristen durch die Stadt führt. Dabei bewegt sie sich mit Gästen immer wieder gerne in dem Arbeiterviertel.
«Das Einzige, was hier konstant ist, ist die Veränderung»,
sagt die Reiseführerin.
Sie durchkämmt oft stundenlang die Gassen, blickt in die Hinterhöfe – immer auf der Suche nach neuer Street Art. Hongkong habe sich zeitverzögert zu den anderen Metropolen in den letzten Jahren zu einem kleinen Mekka der Streetart-Künstler entwickelt, erklärt sie. Doch hier muss man schnell sein, sonst droht die Veränderung: Die Kunstwerke, sogar die der namhaften Künstler, werden gerne mal direkt wieder übermalt.
Trotzdem habe gerade Sham Shui Po fast familiären Charme: «Ich liebe die engen Häuser hier, die unten Laden und oben Wohnraum für die Familien bilden. Hier kennen sich noch die Leute und leben echte Nachbarschaft», sagt die Auswandererin.
Eine Stadt mit zwei Gesichtern

Wenn Unrein Zeit hat, steuert sie gerne einen der vielen kleinen versteckten Tempel an – wie zum Beispiel den Sam Tai Tsz. Hinter den großen Toren eröffnen sich Besuchern ungewöhnliche Ruhepole in der hektischen und lebhaften Stadt.
Hongkong ist Ruhe und Geschäftigkeit. Der Expat Marco Frunz möchte genau deswegen nicht mehr weggehen. «Ich kann nicht mehr woanders hin.» Keine andere Stadt biete für ihn so viel. Die Intensität, die Schnelllebigkeit, die scheinbar alles möglich mache und gerade im Beruflichen viele Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, halten ihn.
«Hier geht es immer Schlag auf Schlag.»
Aber dann biete ihm die Stadt eben auch all jene Orte zum Erholen – an den Wochenenden im der chinesischen Sonderverwaltungszone. Hier kann man wandern, mountainbiken, segeln und sonnenbaden. «Hier leben alle Nationen, alle Religionen auf einem Fleck», so Mario. «Für mich ist es einer der friedlichsten Orte der Erde.»
[su_box title=“Reise nach Hongkong“]Anreise
Mehrere Fluggesellschaften wie Lufthansa und Cathway Pacific fliegen in elf bis zwölf Stunden direkt nach Hongkong, etwa von Frankfurt aus. Deutsche Staatsangehörige können für einen Zeitraum von 90 Tagen ohne Visum einreisen.
Unterkunft
Hongkong bietet ein großes Angebot an Hotels in allen Preisklassen.
Reisezeit
Von Juni bis Oktober drohen Taifune.
Sprache
Kantonesisch ist die Sprache der meisten Einwohner Hongkongs. Zweite offizielle Sprache ist Englisch.
Besonderheit
Wer seinen Müll oder Zigarettenstummel auf die Straße wirft, muss laut Auswärtigem Amt mit einem Bußgeld rechnen. Das gilt auch für Spucken auf die Straße.
Informationen
Hong Kong Tourism Board, Dreieichstraße 59, 60594 Frankfurt, +49 69 9591290, http://www.discoverhongkong.com/de/
[/su_box](MAG99/dpa/tmn)
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