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Die Suche nach dem Ich: «Synonyme» gewinnt Berlinale
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Die Suche nach dem Ich: «Synonyme» gewinnt Berlinale

  • Kann man seine Vergangenheit hinter sich lassen? Und was bitte ist Heimat? Der Sieger des Filmfestivals stellt viele Fragen und macht es dem Zuschauer nicht gerade einfach. Von Peter Claus und Julia Kilian
Regisseur Nadiv Lapid gewinnt die 69. Berlinale

Die Jury eines Filmfestivals muss sich immer auch entscheiden: Zeichnet sie einen Film aus, der viele Menschen ins Kino zieht? Oder einen, der experimenteller ist? Das Drama «Synonyme», das bei der Berlinale am Wochenende den Goldenen Bären gewonnen hat, macht es dem Zuschauer nicht gerade einfach.

Regisseur Nadav Lapid beleuchtet darin die Suche eines Israelis nach der eigenen Identität in Paris. In kurzen, geradezu hysterischen Momentaufnahmen, die oft mehr andeuten als erklären. Damit war der Film keine Ausnahme im diesjährigen Wettbewerb.

Direktor Dieter Kosslick hat zu seinem Abschied viele Filme ausgesucht, die Rätsel aufgeben. Das ist auch bei der deutschen Regisseurin Angela Schanelec so. Für ihren Film «Ich war zuhause, aber» bekam sie einen Silbernen Bären. Und die deutsche Regisseurin Nora Fingscheidt wurde für ihr Drama «Systemsprenger» ausgezeichnet.

Viele persönliche Geschichten

Viele Filme zeigten persönliche Geschichten – und suchten auch nach Heimat. In «Synonyme» verlässt der Protagonist namens Yoav (Tom Mercier) sein Land. Er landet in einer leeren Wohnung in Paris, wird beraubt und arbeitet als Sicherheitsmann und Nacktmodell.

Während Yoav durch die Straßen rennt, lernt er wie wild französische Vokabeln. Ein Bild dafür, dass er um jeden Preis eine neue Identität will. Nadav Lapid hat das selbst so erlebt.

Vor rund 20 Jahren leistete Lapid seinen Militärdienst in Israel. Danach habe er in Tel Aviv gelebt und plötzlich entschieden, dass er das Land verlassen müsse – und zwar «mit einem One-Way-Ticket». In Frankreich habe er absichtlich kein Hebräisch mehr gesprochen.

Der Film fragt, wie wichtig Heimatverbundenheit ist. Und ob man seine Herkunft hinter sich lassen kann. Für Yoav ist das nicht so einfach wie gedacht. Der Film spiegele Kritik, aber auch eine Anhänglichkeit an Israel, sagte Lapid. Für ihn ist es ein sehr persönlicher Film. Auch weil seine Mutter, die den Schnitt gemacht hat, während der Arbeiten am Film starb.

Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche war Jury-Vorsitzende

Jury-Präsidentin Juliette Binoche (rechts) übergibt den Goldenen Bär an Nadav Lapid. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)
Jury-Präsidentin Juliette Binoche (rechts) übergibt den Goldenen Bär an Nadav Lapid. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Die Jury unter Vorsitz von Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche hat mit «Synonyme» einen Kandidaten zum Gewinner gemacht, der künstlerische Eigenwilligkeit und politisches Bewusstsein verbindet. «Synonyme» ist zweifellos interessant, wegen der komplizierten Gestaltung aber wohl eher kein Film für ein Millionenpublikum.

Der Große Preis der Jury ging an das Drama «Gelobt sei Gott» von François Ozon über Kindesmissbrauch. Die Chinesen Yong Mei und Wang Jingchun wurden für ihre Rollen in «So Long, My Son» als beste Schauspieler geehrt. Keine Überraschung war dagegen, dass Fatih Akins Romanverfilmung «Der Goldene Handschuh» leer ausging. Das Porträt des Hamburger Serienmörders Fritz Honka war im Publikum umstritten.

Wie geht es nach dem Abschied von Dieter Kosslick weiter?

Auf der Berlinale liefen insgesamt rund 400 Filme. Neben Cannes und Venedig gelten die Filmfestspiele in Berlin als eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt. In diesem Jahr gab es viele Debatten über Netflix und über die Absage eines chinesischen Films. Im Raum steht auch, wie es mit der Berlinale selbst weitergeht.

Denn Kosslick nimmt nun nach fast zwei Jahrzehnten den Hut. Auf ihn folgt eine Doppelspitze mit dem Italiener Carlo Chatrian und der gebürtigen Niederländerin Mariette Rissenbeek. Die beiden Nachfolger hielten sich auf der Berlinale sehr im Hintergrund.

Erst bei der Preisverleihung am Samstagabend gab es einen kurzen gemeinsamen Moment. Kosslick bekam zu seinem Abschied viele nette Worte und Geschenke (darunter einen riesigen Teddybären und die Patenschaft für eine echte Bärin im Zoo). Der 70-Jährige ließ sich ein Taschentuch reichen und stürmte auf die Bühne.

Auf dem Weg hielt er bei seinen Nachfolgern, umarmte Chatrian kurz. Was er zu beiden sagte, ging unter. Kosslick hatte kein Mikrofon. Auch die Zukunft der Berlinale gibt also noch ein paar Rätsel auf.

(MAG99/dpa)

 

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